Gedanken über Original und Fälschung

China ist im Fälscher-Gewerbe weltweit die Nummer 1. Dahinter steht eine im Vergleich zur westlichen Welt abweichende Einstellung zum Kopieren.

Im Mittelalter glichen sich die Vorstellungen von Europäern und Chinesen im Umgang mit der Kunst: Das Werk stand im Vordergrund, der Künstler war nebenrangig. Wenn ein Fälscher in der Lage war, kunstvoll ein Gemälde zu kopieren, dann galt er selbst als Meister, nicht als Schwindler.

Erst mit dem Beginn der Neuzeit änderte sich diese Einstellung in Europa. In seinem „Traktat von der Malerei“ sieht Leonardo da Vinci den besonderen Wert der Malerei, in ihrer Nichtkopierbarkeit. Das Original bleibt einzigartig. Das unterscheidet sie von der Schreibkunst mit ihren Nachdrucken und den Skulpturen mit der Möglichkeit des Abguss. Im Besonderen des Gemäldes findet sich das Genie des Malers wieder.

In China wurde diese gedankliche Wende nicht übernommen und noch heute führt dieser kulturelle Unterschied zu einigen Schwierigkeiten. Im Jahr 2007 erhielt das Hamburger Völkerkundemuseum für eine Ausstellung Terrakotta-Krieger als Kopie zugesandt. Für die Chinesen waren die detailgetreu nachgebildeten Figuren den Originalen ebenbürtig. Der deutsche Museumsdirektor beschloss hingegen, die Ausstellung zu schließen.

Ernster sind die Differenzen im wirtschaftlichen Bereich. Während die westlichen Konzerne sich durch die Markenfälschungen um ihr geistiges Eigentum betrogen sehen, ist das Kopieren in China ein wichtiger Wirtschaftszweig. Unter dem Begriff „Shanzhai“ („Fake“) werden die Produkte zusammengefasst. Dabei handelt es sich nicht nur um 1-zu-1-Nachbildungen – es fließt auch eine Menge eigene Kreativität hinein. Angefangen bei der Namensgebung, die dadaistische Züge annehmen kann (Adidas wird z. B. zu Adidos oder Dasida), bis hin zu erweiterten technischen Funktionen (z. B. Falschgelderkennung mit dem Telefon). In friedlicher Vereinigung findet sich auch ein iPhone-Klon, der mit einem Android-System läuft.

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