Yangon – der neue Mittelpunkt (Geschichte Myanmars 9)

Im Myanmar gab es mehrere städtische Zentren. Das 1852 besetzte Yangon wurde schnell zum wichtigsten britischen Stützpunkt in der Region. Die Siedlung war eine typische Hafenstadt der Kolonialzeit und ähnelte in ihrer Struktur Singapur, Penang oder Kalkutta. Sie war schon vor der Besatzung eine fremde Stadt auf birmanischen Grund. Ausländer dominierten das Stadtbild: neben Europäern suchten Chinesen, Inder und andere Asiaten dort ihr Glück. Die Einheimischen waren in der Unterzahl und ihr Anteil sank im Verlauf der Kolonialzeit. 1937 waren gerade 127.000 der 400.000 Einwohner Yangons Bamar.

Unter den Einwanderern gab es einen starken Männer-Überschuss, der zu gesellschaftlichen Problemen führte. Prostitution und Drogenmissbrauch nahmen zu. In der Stadt wuchs der größte Rotlicht-Bezirk in „British Indien“ heran.

Yangon
Kolonialgebäude in Yangon

In Yangon prallten die verschiedenen Kulturen aufeinander. Gerade die Missachtung von religiösen Heiligtümern erzürnte die Bamar. Verschiedene nationalistische und religiöse Gruppierungen entstanden, die für den Schutz buddhistischer Werte eintraten. Eine bekannte Organisation war die 1906 gegründete Young Men’s Buddhist Association (YMBA). Sie protestierten gegen ausländische Firmen, die Buddha-Bildnisse und Pagoden in Logos oder Markenzeichen verwendeten. Zusätzlich kämpften sie für das Verbot des Tragens von Schuhen in den heiligen Stätten.

Die Schuh-Frage führte zu blutigen Auseinandersetzungen im Land. Ein wütender Mönch in Mandalay griff einen Europäer an, der mit seinen Stiefeln den Mahamuni-Schrein betrat, und zerschnitt ihm mit einem Messer das Gesicht.

Auch die Studentenunruhen machten den Besatzern zu schaffen. In den 1920er-Jahren versuchten die Briten mit einigen Zugeständnissen die Lage zu entschärfen. Doch die Situation blieb angespannt.

Sie gaben schließlich nach: 1937 wurde eine Verwaltungsreform umgesetzt, die den Bamar ein großes Maß an Selbstverwaltung gestattete.

Die Kolonialzeit brachte für Myanmar eine Öffnung gegenüber dem Westen. Neuartige Konsumgüter, aktuelle Mode und frische politische Ideen fanden den Weg nach Südostasien. Dennoch gerieten die alten Traditionen des freien Myanmar nicht in Vergessenheit. Japan, das Anfang des 20. Jahrhunderts zu einer Großmacht heranwuchs, stärkte das Selbstbewusstsein der Asiaten. Diese neuen gesellschaftlichen Strömungen wurden besonders von den Bamar in Yangon aufgenommen. Aus der von Fremden kontrollierten Stadt wurde das Zentrum der birmanischen Nationalisten. Es wurden Kontakte zu den Japanern geknüpft. Bevor die Briten eingreifen konnten, setzten sich einige Führungspersonen aus der antikolonialen Bewegung nach China ab – die sogenannten „30 Kameraden“. Aung San und der spätere Diktator Ne Win waren Teil dieser Gruppe. Im Exil erhielten sie von den Japanern eine militärische Ausbildung.

Die Japaner hatten große Truppenkontingente in Südostasien stationiert, vor allem in Thailand. Am 8. März 1942 stießen sie von dort weiter in Richtung Westen vor und marschierten in Myanmar ein. Aung San und andere Kämpfer der Befreiungsbewegung gehörten zu den Invasoren. Unter großen Jubel gelangten sie nach Yangon.


Das Land stand vor seiner Unabhängigkeit. Allerdings war diese Eigenständigkeit nur formal: die Japaner übten soviel Druck aus, dass der politische Handlungsspielraum im Vergleich zur Kolonialzeit vorerst sogar sank. Dennoch wurden die Weichen zur Freiheit in dieser Zeit gelegt. Unter Mitwirkung der Japaner wurde eine birmanische Armee aufgestellt, die von Aung San kommandiert wurde; Ne Win befehligte ein Bataillon.

1943 trat die erste unabhängige Regierung unter dem Premierminister Ba Maw an. Aung San wurde zum Verteidigungsminister ernannt und Ne Win nahm dessen Kommandeursposten im Heeresverband ein.

Die Japaner befreiten zwar Myanmar von der europäischen Besatzung, doch mit Arroganz und Brutalität verstimmten sie die Bamar. Als im März 1945 die Niederlage der Achsenmächte offensichtlich wurde, wandte sich Aung San gegen seine alten Verbündeten und trieb zusammen mit den britischen Streitkräften die Japaner aus dem Land.

Der Zweite Weltkrieg endete mit der Kapitulation der Japaner und die alten Kolonialherren kehrten nach Myanmar zurück. Doch sie kamen zu spät – die Unabhängigkeitsbewegung war stark geworden. Eine junge, birmanische Führungsriege übernahm die Staatsgeschäfte. Unter ihnen befanden sich die Militärführer wie Aung San, U Nu und Ne Win. 1947 endete die Fremdherrschaft der Europäer. Die britische Verwaltung organisierte Wahlen und entließ Myanmar in die Unabhängigkeit.

Literatur:

Charney, Michael W.: A History of Modern Burma. Cambridge, 2009.
Ludwig, Klemens: Birma.  München, 2009.

Hier geht es zu Teil 8: Myanmar als englische Kolonie
Teil 10: Das unabhängige Myanmar

 



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