Armut in Myanmar

Myanmar gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Seit 1987 wird es von der UN unter dem LDC-Status („Least Developed Countries“, dt. „am wenigsten entwickelte Länder“) geführt. In den nachfolgenden Jahren wurde die Lage nicht einfacher – die regelmäßigen Menschenrechtsverletzungen führten zu einer internationalen Isolation. 1989 verhängten die westlichen Staaten Wirtschaftssanktionen. Die Regierung in Yangon war daraufhin auf wenige Handelspartner, wie China und Nordkorea, beschränkt. Erst mit der Öffnung in den letzten Jahren verbesserte sich die Situation: nicht nur die Sanktionen wurden aufgehoben, auch Schuldenerlass wurde gewährt.

Es ist zu hoffen, dass die bessere politische Lage die sozialen Probleme lindert. Denn die Zustände sind katastrophal. Ungefähr ¼ der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze – und lebt damit von weniger als 1,25 US-$ am Tag. Auf dem Land ist die Situation besonders desaströs: hier fallen 1/3 der Bewohner unter die Armutsgrenze und haben oft kein Zugang zu Strom und sozialen Dienstleistungen.

Die Armut hat fatale Auswirkungen auf die Kinder: die Sterblichkeit ist sehr hoch. Der Hauptgrund ist die Unterernährung. Jedes 3. Kind hat nicht genügend Nahrung. Im Shan- und Kayah-Staat sind sogar noch mehr Kinder mangelernährt. Kinderarbeit ist weit verbreitet. Oft müssen sie harte Arbeiten ausführen, beispielsweise auf dem Bau.

Arbeitende Kinder und Frauen
Arbeitende Kinder und Frauen (Foto: O. Aldirmaz)

Um die sozialen Brandherde einzudämmen, werden momentan viele Ideen diskutiert: Kann eine für alle zugängliche Sozialversicherung geschaffen werden? Welche Sozialtransfers sollen eingeführt werden? Rente, Kindergeld oder Stipendien? Was kann gegen die ungleiche Vermögensverteilung unternommen werden?

Die Regierung ist zum Handeln gezwungen. Die Wirtschaft soll wachsen. Daher verabschiedete sie 2012 ein neues Investitionsgesetz. Ausländische Unternehmen können nun fast ohne Einschränkungen Kapital einbringen. Nur in einigen Branchen, wie dem Bergbau, müssen fremde Investoren mit einheimischen Firmen zusammenarbeiten.

Besonders die reichen Rohstoffvorkommen locken die Kapitalgeber. Erdöl, Erdgas, Kohle, Wolfram, Zinn, Zink, Kupfer, Platin, Blei, Eisen, Antimon, Kalkstein und Marmor lassen sich in Myanmar finden. Zusätzlich werden allerlei Edelsteine gefördert: Rubine, Jade, Saphire und sogar Diamanten lagern in den Minen Myanmars.

Der Verkauf von Rohstoffen bringt schnelles Geld. Daher ist es für Myanmar attraktiv, den extraktiven Wirtschaftssektor zu stärken und mit ausländischen Firmen und Staaten zu kooperieren, die Interesse an den Naturmaterialien haben. Doch, wie in vielen anderen Entwicklungsländern, profitiert die Bevölkerung wenig vom Abbau der Bodenschätze. Die Einnahmen verbleiben in den Händen einiger weniger, der Reichtum sickert nicht in die unteren Schichten durch.

Die Bevölkerung wird dafür mit den Schattenseiten des Rohstoffabbau konfrontiert: fehlendes Know-how und ungenügendes Verantwortungsbewusstsein führen zu Umweltschäden.

Vor allem in den Grenzregionen verschärfte die Jagd nach den Bodenschätzen die Konflikte. So heizten die Platin-Vorkommen im Shan-Hochland die Auseinandersetzung zwischen Minderheit und Zentralregierung weiter an.

Der Lebensraum Wald ist auf unterschiedliche Weisen bedroht. Für den Export werden große Teakholzbestände abgeholzt. Zusätzlich wird unnötiger Schaden durch Brandrodung angerichtet.

Der Schutz der Natur wird eine schwierige Aufgabe für die Regierung in Yangon. Es reicht nicht, wenn die Politiker wohlwollende Gesetze verabschieden; denn die weit verbreitete Korruption führt dazu, dass Regelungen hintergangen werden. Sie müssen effektive Methoden zur Durchsetzung und Kontrolle der Verordnungen finden. Aufgrund der schwachen Institutionen kann das nur langfristig gelingen.

In Verbindung mit der wachsenden Ökonomie tritt ein weiteres Problem verstärkt auf: der „Landraub“. Insgesamt 500 Fälle wurden von den Behörden registriert. Es gibt zwei unterschiedliche Formen:

  • Die direkte Enteignung durch den Staat, um das Grundstück ausländischen Firmen zur Verfügung stellen zu können. Die Unternehmen dürfen das Land zwar nicht erwerben, aber sie können es auf lange Zeit pachten. Der vormalige Besitzer erhält entweder keine oder eine geringe Entschädigung.
  • Die indirekte Enteignung erfolgt durch gesetzliche Anbauquoten für Bauern. Die Landwirte werden dazu verpflichtet ihre Agrarprodukte in einem bestimmten Verhältnis anzubauen, das nicht wirtschaftlich ist. Dadurch geraten die Bauern in die Verschuldung. Wenn die Kredite nicht mehr bezahlt werden können, folgt die Beschlagnahmung des Landes. Insgesamt wurden in der Ayeyarwaddy-Region Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 100.000 ha entzogen.

Beim Interessenskonflikt von Wirtschaft und Bürger muss Letzterer häufig nachgeben. Besonders negative Schlagzeilen machte der Bau der Yadana-Gaspipeline des französischen Total-Konzerns in den 1990er-Jahren. In Zusammenhang mit diesem Großprojekt wird nicht nur von Zwangsumsiedlungen, sondern auch von Folter und Mord berichtet.

In den letzten Jahren haben die Bürger gelernt, sich gegen Großprojekte besser zu wehren. Der Bau zweier indischer Staudämme wurde verhindert. Doch nicht jede Demonstration ist erfolgreich; beispielsweise die Inbetriebnahme der Kupfermiene von Monywa wurde von der Regierung mit Gewalt durchgesetzt.

Literatur (mit Amazon-Affiliate-Link):

Arbeitsgruppe Burma (Hrsg.): Aufbruch in Myanmar – Mit europäischen Investitionen zu Wohlstand und Frieden? Köln, 2014. (kostenloser Download)

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